Bebauung Bereich Sieglestrasse
Pressemitteilung: VGH Mannheim erklärt weiteren Bebauungsplan „Im Bereich Sigelstraße“ für unwirksam
Der VGH Mannheim hat mit Urteil vom 12.07.2021, das uns vorgestern zugegangen ist, entschieden, dass auch der Bebauungsplan „Im Bereich Sigelstraße“ unwirksam und damit rechtswidrig ist.
Bereits seit Jahrzehnten engagiert sich der Bürgerverein Stuttgart-Stammheim e.V. satzungsgemäß für den Erhalt und die Verbesserung der Lebensqualität im Stadtbezirk Stuttgart-Stammheim. Neben der Organisation vieler schöner Netzwerk-Veranstaltungen, wie dem traditionellen Neujahrsempfang, vertritt der Bürgerverein auch die Interessen der hier wohnenden Personen.
Hierzu gehört seit vielen Jahren die Unterstützung der Bewohner an der Gemarkungsgrenze zu Kornwestheim. Dort befinden sich in Wurfweite zu der Wohnbebauung bereits der Containerbahnhof, zahlreiche Logistikbetriebe und die durch den LKW- und Berufsverkehr ständig überlastete B27a. Der Containerbahnhof soll in naher Zukunft signifikant ausgebaut werden, er soll u.a. noch 3 weitere Portalkräne erhalten.
Vor einigen Jahren sollte in diesem Gebiet ein ca. 100 ha großes (!) Güterverkehrszentrum (kurz „GVZ“) in unmittelbarer Nähe zu Stammheim gebaut werden. Diese Pläne scheiterten an dem nicht umsetzbaren Lärmschutz für die Stammheimer Bevölkerung. Nun realisiert die Gemeinde Kornwestheim die damals geplanten Erweiterungen und somit das GVZ schrittweise, aufgeteilt in kleinteilige Bebauungspläne. Den Anwohnern von Stammheim bleibt nichts anderes übrig, als gegen jeden einzelnen Bebauungsplan (leider juristisch) vorzugehen – unter Aufwendung hoher finanzieller Opfer. Mediationsversuche wurden seitens der Gemeinde Kornwestheim von Anfang an konterkariert.
Eines dieser Gerichtsverfahren gegen den Bebauungsplan „Im Bereich Containerbahnhof Süd“ wurde am 18. Februar 2021 – wie bekannt – in letzter Instanz vor dem Bundesverwaltungsgericht (!) zugunsten des Stammheimer „Klägers“ gewonnen. Dieser Stammheimer wohnt etwa 100 m von den durch Kornwestheim ausgewiesenen Industriegebieten. Auf dem fraglichen Gebiet wurde eine „Multifunktionshalle“ gebaut und an Porsche verpachtet. Das Bundesverwaltungsgericht stellte fest, dass der Bebauungsplan rechtswidrig ist, da – obwohl als Industriegebiet deklariert – in keinem Bereich die Lärmwerte eines Industriegebiets erreicht werden durften. Das hatte Kornwestheim durch sog. Emissionskontingentierung ausgeschlossen, somit also ein viel zu lautes Gewerbegebiet geplant und Industriegebiet genannt.
In einem weiteren Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof in Mannheim gegen den Bebauungsplan „Im Bereich Sigelstraße“ ist die Gemeinde Kornwestheim dem Normenkontrollantrag eines (anderen) Stammheimer Bürgers gar nicht erst entgegengetreten und hat damit die Rechtswidrigkeit der Planung ohne Gegenwehr anerkannt. In diesem Verfahren hat der VGH Mannheim nun mit Urteil vom 12.07.2021 entschieden, dass auch der Bebauungsplan „Im Bereich Sigelstraße“ unwirksam und damit rechtswidrig ist. Eine Revision zum Bundesverwaltungsgericht ist angesichts der bereits bestehenden Rechtsprechung aus Leipzig in dem anderen Verfahren nicht zugelassen worden, sodass es keine Rechtsmittel mehr gegen das Urteil gibt. Die beiden Stammheimer Bürger haben also vor Gericht auf ganzer Linie gewonnen.
Leider zeigt sich, dass die Gegenseite sogar so weit geht, die Urteile zu ignorieren. Kornwestheim hat bis heute nicht auf die Gerichtsverfahren und Urteile reagiert oder sie gar umgesetzt. Der Betrieb der Multifunktionshalle läuft uneingeschränkt weiter, und das, obwohl die Baugenehmigung nun rechtswidrig geworden ist, da ihr die rechtliche Grundlage entzogen wurde. Offizielle Anfragen und Anträge bei der Kornwestheimer Gemeindeverwaltung und beim Regierungspräsidium Stuttgart, zuständige Widerspruchsbehörde gegen die Baugenehmigung, wurden überhört und blieben bisher ohne Erfolg. Mehrere Schreiben an Herrn Oberbürgermeister Dr. Nopper mit der Bitte um Unterstützung seiner Stuttgarter Bürger blieben bis heute ebenfalls noch unbeantwortet.
Die Gemeinde Kornwestheim geht nicht auf die Stammheimer zu und bindet sie in die weitere Planung auch nicht mit ein. Der Bezirksbeirat Stammheims, der sich fraktionsübergreifend für den Schutz der Stammheimer einsetzt, wird nicht einmal informiert, geschweige denn gehört. Anträge, die zu diesem Thema in den Stuttgarter Gemeinderat eingebracht werden, verlaufen – auf Dauer-Wiedervorlage gelegt – im Sande. Für den Stadtbezirk maßgebliche Informationen erhalten die Bürger und das Bezirksamt nur aus der Zeitung. Dies ist ein sehr frustrierender Zustand, der das Vertrauen der Einwohner in den Rechtsstaat und in ihre Stadtverwaltung stark erschüttert. Die Stammheimer haben viel auf sich genommen, um ihre Lebens- und Wohnqualität zu schützen und zu verbessern und werden nun, obwohl sie juristisch nachweislich im Recht sind, dennoch ihrer Rechte auf Lärmschutz und allgemeinen Schutz vor heranrückender industrieller Bebauung beraubt.
Es ist uns wichtig zu betonen, dass auch wir selbstverständlich eine Notwendigkeit für Gewerbe- und Industriegebiete sehen, aber die bisher erlebte Rigorosität und Kompromisslosigkeit der planenden Gemeinde Kornwestheim und der zuständigen Behörden und Verwaltung in Stuttgart, die keinerlei Unterstützung bieten, unseres Erachtens in eine Sackgasse führt. Eine für alle annehmbare Lösung kann nur im gegenseitigen Dialog unter Einbeziehung aller Betroffenen und unter Berücksichtigung aller Interessen gefunden werden.
Für den Bürgerverein
Dr. Anne Gabius
1. Vorsitzende, Bürgerverein Stuttgart-Stammheim e.V.